Es gibt wohl kaum einen Wissenschaftler, der dieses Urteil ernsthaft bestreitet. Die Werbung hierfür möglichst umfassend einzuschränken, scheint daher nur die logische Konsequenz zu sein.
Gleichwohl akzeptiert unsere Rechtsordnung Verbote, wenn damit höherrangige Güter geschützt werden sollen. So gibt es bereits heute Werbeverbote für diverse Dienstleistungen, so unter anderem für Schönheitsoperationen. Bei deren Einführung gab es weniger Aufregung als jetzt. Tabakprodukte unterscheiden sich erheblich von anderen Produkten wie Alkohol und Zucker. Denn Tabakprodukte enthalten diverse giftige und krebserregende Stoffe, sodass bereits der Konsum einer Zigarette schädlich ist, und bereits wenige Zigaretten eine Suchtreaktion auszulösen vermögen. Daher müssen Tabakprodukte kategorial anders eingestuft werden und im Lichte dieser Gefährlichkeit gesondert betrachtet werden.
Staatliche Verantwortung im Sinne des Kinder- und Jugendschutzes
Die weitere Einschränkung der Tabakwerbung hat eine klare Zielsetzung: Es geht um den Schutz derjenigen, die sich nicht selbst schützen können. Es ist verfassungsrechtliche Aufgabe des Staates, sich vor jene zu stellen, die besonders schutzbedürftig sind und die Risiken des Tabakkonsums nicht richtig einschätzen können. Kinder und Jugendliche fühlen sich von der Tabakwerbung angesprochen. Hier vermag auch das Argument nicht zu überzeugen, dass ein Tabakwerbeverbot nicht geeignet sei, den Suchtgefahren vorzubeugen. Insoweit gilt es, der Wahrheit die Ehre zu geben: Werbung wirkt. Sonst würden betriebswirtschaftlich ausgerichtete Unternehmen – und das sind alle Unternehmen der Tabakbranche – niemals so umfängliche Werbebudgets ins Werk setzen.
Das von uns als Union geplante Tabakwerbeverbot für Anfang 2021 kommt zudem nicht aus dem Nichts, sondern baut auf sukzessiven Einschränkungen der Tabakwerbung auf. So haben wir in den vergangenen Jahrzehnten schrittweise die zulässige Werbung reduziert: So sind Werbung und Sponsoring in Fernsehen sowie Radio und Internet sowie sehr umfänglich in Printmedien bereits heute untersagt.
In der Sache wollen wir jetzt einen deutlichen Schritt weiter gehen, indem wir die Außenwerbung für Tabakprodukte grundsätzlich verbieten. Jedoch bleiben wir verhältnismäßig und erhalten Werbeoptionen auch in Zukunft: Die Innen- und Außenwerbung des Fachhandels, die Kinowerbung bei Filmen ab 18 Jahren, die gewerbsmäßige kostenlose Abgabe von Tabakprodukten, das Sponsoring nationaler Veranstaltungen und auch der Markentransfer bleiben erlaubt.
Völkerrechtliche Verpflichtung
Völkerrechtlich ist die Lage eigentlich unmissverständlich: Schon 2003 hat Deutschland das Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakgebrauchs ratifiziert. Deutschland hat sich darin verpflichtet, alles zu tun, um ein entsprechend umfängliches Verbot zu implementieren. Deutschland ist das einzige Land in der EU, das bisher kein solches Verbot umgesetzt hat. Für Deutschland ist es auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, das Verbot final zu implementieren.
Schließlich sprechen sich über 75 % der Bevölkerung für ein Werbeverbot aus, sogar die Mehrheit der Raucher plädiert für ein solches. Das heißt, dass sogar die unmittelbaren Adressaten ein umfänglicheres Werbeverbot befürworten – auch in der Erwartung, dass der Tabakkonsum zurückgedrängt werden kann. Dies wird aus dem Gesundheitswesen mit Verweis auf die damit zu vermeidenden gesundheitlichen Risiken nachdrücklich unterstützt. Allein die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten des Tabakkonsums werden auf rund 100 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.
Vor diesem Hintergrund verliert auch der Einwand an Gewicht, der sich auf den finanziellen Ausfall für die Kommunen bezieht, die derzeit von den Werbeeinnahmen profitieren. Im Übrigen erscheint die Beliebtheit der innerstädtischen Werbeflächen nach wie vor ungebrochen. Viele Unternehmen streben danach, ihre Werbung prominent im öffentlichen Raum zu platzieren. Außerdem wird der freiwillige Verzicht auf Tabakaußenwerbung auch mit einem Imagegewinn honoriert. Wenn im Interesse des Gesundheits- und Jugendschutzes die öffentliche Hand vor dem Tabakkonsum warnt, erscheint es wenig glaubwürdig, zugleich Werbung für Tabakprodukte im öffentlichen Raum zuzulassen.
Insgesamt sollten wir das flächendeckende Werbeverbot als das verstehen, was es ist: Ausdruck des Schutzes der Freiheit derjeniger, die sich aus Unkenntnis der Risiken, Unsicherheit, mangelnder Reife oder schlichter Jugend nicht den Einflüssen der Werbung entziehen können. Mit einem Tabakwerbeverbot wollen wir einer Abhängigkeit vorbeugen, um so ihre Freiheit zu erhalten. Wir bleiben jedoch verhältnismäßig, indem wir in Grenzen die Werbung weiter zulassen. Wir hoffen, damit zwischen den konfligierenden Interessen einen möglichst fairen Ausgleich zu schaffen. Wir sind uns bewusst, dass die Ausweitung des Werbeverbotes keine „perfekte Lösung“ ist, aber sie ist angemessen und verantwortungsvoll.
Beitrag in der aktuellen Ausgabe der "kommunalpolitischen blätter"
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